Sven Schoeller muss für Kohleausstieg 2025 gerade stehen

Aktive des Bündnisses kassel kohlefrei mit Westen vor dem Schriftzug auf dem Boden "KASSEL KOHLEFREI" und einem stylisierten Kraftwerk. Im Hintergrund das Kasseler Rathaus mit seinen goldenen Löwen.

Kassel, 07.11.24. Kassel setzt den Kohleausstieg bis 2023, spätestens 2025 um – so lautet der Beschluss der Kasseler Stadtverordnetenversammlung vom Herbst 2021. Auch die Städtischen Werke haben den Kohleausstieg 2025 beschlossen und öffentlich vertreten. Doch jetzt droht der neue Vorsitzende der Städtischen Werke Carsten Harkner, den Kohleausstieg doch zu verschleppen. Gestern versammelten sich daher rund 50 Bürger*innen vor dem Rathaus, um mit dem Bündnis kassel kohlefrei und den 7.500 Unterschriften des Bürgerbegehrens die starke Kasseler Unterstützung für die schnelle klimagerechte Wärmewende deutlich zu machen.

Ein 2,5 Meter großer schwarzer Würfel symbolisierte dabei die stündlich im Kraftwerk Dennhäuser Straße verbrannte Menge an klimaschädlicher Braunkohle. Das Bündnis spricht sich mit Vehemenz dafür aus, dass wie geplant nächstes Frühjahr die letzte Tonne Kohle verbrannt wird. „Oberbürgermeister Sven Schoeller als Aufsichtsratsvorsitzender hat die politische Verantwortung, den Kohleausstieg bis 2025 umzusetzen“, stellt Marie Ossenkopf als Sprecherin des Bündnisses kassel kohlefrei fest. Über den nächsten Sommer müssten die finalen Umbauten im Kraftwerk parallel stattfinden. Ansonsten droht sich der Kohleausstieg mindestens um eine ganze Heizperiode zu verschieben.

Im Rathaus wurde bei der Bürgerversammlung auch intensiv über die Kasseler Wärmeversorgung gesprochen. „Ein Verschleppen des Kohleausstiegs wäre ein fatales Signal für den Klimaschutz,“ betont Marie Ossenkopf vom Bündnis kassel kohlefrei. Der Kohleausstieg ist nötiger erster Schritt in der Abkehr von den klimaschädlichen Energieträgern in der Kasseler Fernwärme. Denn jeden Monat in der Heizperiode, den das Kraftwerk weiter läuft, entspricht den klimaschädlichen Treibhausgas-Emissionen von 120.000 Urlaubsfahrten nach Italien. „Wir können nicht zulassen, dass Kassels größter Verursacher von Klimaschäden entgegen aller demokratischen Beschlüsse einfach weiterläuft,“ macht Ossenkopf klar.

Das Bündnis kassel kohlefrei hat 2019 und 2020 trotz Pandemie 7.500 Unterschriften für ein Bürgerbegehren zum Kohleausstieg bis 2023 gesammelt. Im Jahr 2020 hatte sich das Bündnis mit dem damaligen Oberbürgermeister und den Städtischen Werken auf einen Puffer bis 2025 geeinigt, falls Lieferschwierigkeiten auftreten oder Genehmigungsprozesse länger laufen.

„Ja, der Kohleausstieg ist immer noch wichtig!“

kassel kohlefrei appelliert an Carsten Harkner und die Stadt, den Kohleausstieg bis 2025 einzuhalten

„Ja, der schnelle Kohleausstieg ist immer noch wichtig. Nur auf dem Weg zu sein ist eine bloße Beruhigung für das Gewissen, denn davon wird niemand vor der Erderhitzung gerettet,“ erklärt Marie Ossenkopf, Sprecherin der Bürgerinitiative kassel kohlefrei. Damit beantwortet sie die Frage von Carsten Harkner im Montagsinterview der HNA, ob es wirklich wichtig sei, den Kohleausstieg wie geplant bis 2025 zu vollziehen.

Als neuer Vorstandsvorsitzender der Kasseler Verkehrs- und Versorgungs-GmbH (KVV) hatte Harkner Zweifel an der Dringlichkeit des Kohleausstiegs aufgeworfen – an einem damals mühsam ausgehandelten Zeitplan, der im Einklang mit dem Willen der Kasseler Bürger*innen und den Vereinbarungen der Stadt steht. 2020 wurde der Bürger-Initiative mitgeteilt, dass der Umbau laut internen Planungen eigentlich bis 2023 abgeschlossen sein soll — wegen möglicher Lieferverzögerungen aber öffentlich lieber 2025 angepeilt werden soll. „Jetzt sogar doppelt so lang zu brauchen, können wir uns nicht leisten,“ so Ossenkopf. „Würde das Kohlekraftwerk ein weiteres Jahr dreckige Braunkohle verbrennen, bedeutet das bis zu 140.000 Tonnen zusätzliche CO2-Emissionen – ein unverantwortlicher Rückschritt in der Klimapolitik,“ so Ossenkopf. Vom Jahr 2022 auf 2023 haben sich die fossilen Emissionen des Kraftwerks trotz zunehmender Klärschlammverbrennung nur von 142.000 Tonnen auf 136.000 Tonnen reduziert. Kassels größter Klimaverschmutzer verursacht also weiterhin fast 10% aller Emissionen von klimaschädlichen Treibhausgasen im Stadtgebiet.

Appell an Stadtklimarätin Simone Fedderke und Aufsichtsratsvorsitzenden Sven Schoeller

„Wir appellieren neben der Kraftwerksleitung vor allem an die zuständige Stadtklimarätin Simone Fedderke und an Oberbürgermeister Dr. Sven Schoeller in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der KVV, alles dafür zu tun, dass der Ausstieg aus der Kohle planmäßig bis 2025 abgeschlossen ist.“ Fedderke und Schoeller haben eine zentrale Rolle dabei sicherzustellen, dass Kassel nicht vom Klimakurs abkommt. Der Klimaschutzrat der Stadt Kassel hat gerade erst die Stadt gerügt, die empfohlenen Klimaschutz-Maßnahmen schneller und konsequenter umzusetzen. Es liegt nun an den Verantwortlichen, diese Empfehlungen ernst zu nehmen und den Ausstieg voranzutreiben. Auf eine gern gemeinsam veranstaltete Kohleausstiegs-Feier im Herbst 2025 freue sich das Bündnis bereits.

Nach dem Kohleausstieg braucht es für den klimafreundlichen Ausbau der Fernwärme dringend noch weitere Schritte, um das Wärmenetz zu erweitern und bald auch das Gaskraftwerk durch Großwärmepumpen zu ersetzen. „Klimafreundliche und günstige Fernwärme ist Teil der kommunalen Daseinsfürsorge – hier dürfen keine Abstriche gemacht werden,“ betont kohlefrei-Sprecherin Ossenkopf.

Die Zeit drängt

„Ein weiteres Jahr Kohleverbrennung gefährdet nicht nur das demokratische Ziel der Klimaneutralität 2030 für Kassel, sondern verschärft auch die Klimakrise spürbar,“ macht Ossenkopf deutlich. „Wer letztes Jahr den Kasseler Hagelsturm mit hunderten Millionen Euro an Schäden oder die jüngsten zerstörerischen Überschwemmungen in Trendelburg erlebt hat, sollte heute handeln, nicht übermorgen.“

Hintergrund

Die Bürgerinitiative kassel kohlefrei setzt sich seit 2019 für eine klimagerechte Zukunft der Stadt Kassel ein. Im Rahmen eines Bürgerbegehrens haben sie 8.000 Unterschriften gesammelt, um den Kohleausstieg voranzutreiben. Die Stadt Kassel und die Städtischen Werke haben sich daraufhin 2020 offiziell zu einem Ausstieg aus der Braunkohleverstromung bis spätestens 2025 bekannt. Ursprünglich hatte kassel kohlefrei das Jahr 2023 als Ziel gefordert.